Leon. Kathedrale Santa Maria. Viana. Ruine Kloster San Pedro. Wand- und Deckenmalerei. Codex Egberti. Jesus offenbart sich den vom wundersamen Fischzug zurückkehrenden Jüngern.

DAS MITTELALTER

INNOVATIVE EPOCHE DER MENSCHHEIT

Einstimmung

Diese europäischen Jahrhunderte waren große, innovative Epochen der Menschheit. Europa machte einen großen technologischen Sprung. Nicht von ungefähr lehnten es 1981 die Autoren der 15. Auflage der "Encyclopaedia Britannica" ab, dieses Zeitalter dark ages zu nennen. Es werde damit fälschlich behauptet, diese Zeit sei eine Periode des geistigen Dunkels und der Barbarei gewesen. Fake-News.

 

Beispiel

Der kategorische Imperativ Immanuel Kants (dt. Philosoph, 1724 - 1804; nie aus Königsberg herausgekommen, ist für viele Modernisten das non plus ultra.

Einmal unabhängig, das Jesus ihn schon in abgewandelter Form deklamiert hatte, hat sich der große Heilige Vinzenz von Paul (1581-1660; Priester, Ordensgründer; sein Leben widmete er den Bettlern und Kranken) vor über 150 Jahren schon dazu geäußert - in seiner Rede in der Konferenz über die Nächstenliebe am 30. Mai 1659.

 

Hl. Vinzenz von Paul, 1659

"Was nimmt in der Nächstenliebe den ersten Platz ein?

  • Mit einem jeden gut umgehen,
  • ganz so, wie auch wir vernünftigerweise erwarten, dass man mit uns umgehe.
  • Genau das ist Nächstenliebe.
  • Handle ich denn wirklich so an meinem Nächsten, wie ich es mir von ihm wünsche?
  • Da muss ich mich aber doch gründlich prüfen [...]"

Innovative Epoche Europas

TECHNIK IN EUROPA

Das Gegenteil war der Fall. Exemplarisch sei hier die Landwirtschaft genannt, die im 8. Jahrhundert eine Revolution erfuhr. Die Dreifelderwirtschaft wurde eingeführt. Die Muslime hingegen ließen, nach der Eroberung Ägyptens, des Mahgreb und Spaniens, das Rad wieder in die Versenkung verschwinden. Alle Waren wurden fortan von Menschen getragen oder auf Kamelen, Eseln oder Pferden transportiert. Man scheute den Straßenbau.

 

Goslarer Evangeliar, um 1240.

Beschreibung vgl. Menüpunkt Katholizität

 

KULTURELLE HÖCHSTLEISTUNGEN

Auf kulturellem Gebiet sind unbedingt zu nennen:

  • Die Buchmalerei und die Goldschmiedekunst schon zu Zeiten des Merowinger Reiches im 5. - 7. Jahrhundert.

  • Die Schriftreform Minuskel von Karl dem Großen. Von dieser Vereinheitlichung profitieren wir noch heute; die Druckschrift Antiqua geht auf die karolingische Minuskel zurück.

  • Die monumentalen Wandmalereien und Mosaiken als Weiterführung antik-frühchristlicher Traditionen.

  • Die Dom- und Kathedralschulen als führende Bildungsstätten. Wo sonst?

  • Die Ausgestaltung der Kirchenmusik.

  • Die Gründung vieler monastischer Orden: einzige Orte der Caritas für die arme Bevölkerung.

  • Die städtischen Rechtsreformen und Körperschaften im 12. Jahrhundert.

  • Die Gründung teils heute noch existierender Universitäten.

  • Et ecetera.

TV-Sendung Bayerisches Fernsehen, 2014:                             "Das Mittelalter war erfinderisch und farbenfroh"

Wiederholung auf Phönix am 18.02.2018: Das Mittelalter im Südwesten. 

 

"Lange galt das Mittelalter, der Zeitraum von ungefähr 500 bis 1500 nach Christus, als finster und rückständig." - Das Gegenteil sei der Fall, so die heutigen Forschungsergebnisse. Das Mittelalter sei erfinderisch und farbenfroh gewesen, so die Moderatorin der Doku Lena Ganschow. Im ersten Teil wurde das Rittertum behandelt, im zweiten Teil die Ereignisse von Konstanz mit dem Konzil vom 05.11.1414 bis 22.04.1418 thematisiert.

 

Beispiel Innovation: Der erste mobile Pizza-Essenswagen der Welt sei in Konstanz zum Einsatz gekommen. Fachleute bauten ihn nach.

Die Schlussworte: "Das Mittelalter sei facettenreich und innovativ gewesen" bestätigen sehr eindrücklich meine schon immer vertretenen Thesen.

Die Fränkische Kultur

FRANKEN REFORMIEREN DAS GESELLSCHAFTSBILD

DES ABENDLANDS

Die Franken reformierten das abendländische Gesellschaftsbild so nachhaltig, dass es im lateinischen Europa seither keine Ehrenmorde und keine Cousinenehen gibt - wie im Islam heute noch üblich, und keine Mädchentötungen - wie heute verstärkt auch und gerade in Indien und China gängige Praxis. (In zwanzig Jahren (2035) wird es dort 10-20% mehr Männer als Frauen geben.) Fatal.

 

Als Triebfeder galt das Christentum und die daraus abgeleitete Moral: "Was Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen. Mann und Frau sollen sein >ein Fleisch<“. Innerhalb weniger Generationen wichen patriarchalische Verwandtschaftstrukturen einem "bilateralen Verwandtschaftssystem.“

 

"SCHOLA PALATINA" KARLS DES GROßEN                                           GEISTIGE QUELLE DES ABENDLÄNDISCHEN EUROPAS

Karl der Große berief die gelehrtesten Männer seiner Zeit an seinen Hof. Zwei Protagonisten seien an dieser Stelle genannt. Alkuin (740-804), Sohn einer englischen Adelsfamilie, Schüler und späterer Leiter der über die Grenzen Britanniens anerkannten Dom- und Klosterschule in York. Er gilt als der Gelehrteste seiner Zunft. Karl lernt ihn 781 in Parma kennen. 782 folgt er Karls Ruf und übernimmt die Leitung der „Schola Palatina“ in Aachen, mutiert sodann zum einflussreichsten Berater des Königs und späteren Kaisers resp. zum Lehrer der Eliten des Frankenreiches. Hier werden außer Grammatik, Rhetorik und Dialektik (Trivium) auch Musik, Arithmetik, Geometrie und Astronomie (Quadrivium) gelehrt, nicht zu vergessen die Kunst des liturgischen Gesangs „Ars musica“. Übrigens, schon König Pippin der Jüngere hatte im Jahre 754 die Einführung der Römischen Liturgie im fränkischen Reich angeordnet, auch mit dem Hintergedanken, durch die einheitliche Religion und einheitliche religösen Riten die Einheit des Reiches zu gewährleisten.

 

Zum zweiten Protagonisten. Karls Biograph Einhard (770-840; erzogen im Kloster Fulda, Gelehrter, Kunstsachverständiger, Autor), Nachfolger seines Lehrers Alkuin als Leiter der Hofschule Karls des Großen, berichtet über seinen Mentor: „ Größte Aufmerksamkeit widmete er der Verbesserung des liturgischen Lesens und des Psalmengesangs: er war in beidem selbst wohl bewandert, wenngleich er in der Öffentlichkeit nie vorlas und nur leise im Chor mitsang“ - Vita Karoli Magni 26.

 

Fazit. Ohne den Kreis der Gelehrten und Künstler, die Karl an seiner Hofschule, der „Schola Palatina“, um sich versammelte, ist der Aufstieg des Abendlands nicht vorstellbar. Hier liegt die geistige Quelle einer Kultur, die aus einer Synthese von antiker Tradition und der Botschaft des Christentums besteht und entscheidend ist für eine dauerhaftes Überleben Europas. Text teilweise entnommen der Beschreibung von Dr. Michael Tunger zur CD Schola Carolina Aachen, Regali Natus, Gesänge aus dem Karlsoffizums

 

REFORMPOLITIK KARLS DES GROßEN

DAS GODESCALC-EVANGELISTAR

"Wer Gott gefallen will durch rechtes Leben, der soll nicht versäumen, ihm auch durch richtige Sprache zu gefallen", so ermahnte Karl der Große seine Bischöfe und Äbte im Jahre 785. Fünf Jahre zuvor, anlässlich seiner Romfahrt 780/81, hatte der König bei einem Schreiber namens Godescalc das Evangelistar in Auftrag gegeben, das damit eine größere Anzahl liturgischer Prachthandschriften anführt. Für die Geschichte der abendländischen Buchmalerei bedeutet dieser Codex mit seiner prachtvollen Bildausstattung und aufwendigen Textgestaltung einen entscheidenden Neubeginn, der vom kulturellen Engagement Karls des Großen Zeugnis ablegt. Es dokumentiert die gesellschaftliche Erneuerung, die Begründung und die Zielvorstellung der Reformpolitik des Herrschers entsprechend dem Leitbild der christlichen Weltordnung; vgl. auch das von Bruno Reudenbach 1998 im Fischer Verlag veröffentlichte Buch Godescalc-Evangelistar.

 

FRANKEN RETTEN ANTIKE TEXTE

Der Festlegung der fränkischen politischen Kultur auf die lateinische Sprache verdanken wir das Überleben des überwiegenden Teils der antiken lateinischen Literatur. Bis weit in die Neuzeit blieb das Latein der Franken die Sprache der Universitäten und bis ins 20. Jahrhundert in der katholischen Liturgie sowieso.

 

Der maßgebliche Teil der antiken Texte ist in den Schreibstuben christlicher Klöster zwischen 800 und 900 nach Christus kopiert worden und nur deshalb bis heute erhalten. Die Franken schufen damit ein Archiv antiker Ideen riesigen Ausmaßes.

 

BOETHIUS UND CASSIODOR - 5./6. Jahrhundert

BEWAHRER ANTIKER SCHRIFTEN

Dass die Franken überhaupt diese Archive schaffen konnten, verdankten sie Menschen wie Boethius (480-526; römischer Gelehrter, Politiker, neuplatonischer Philosoph und Theologe) und Cassiodor (485-580; römischer Staatsmann am Hof Theoderichs, Gelehrter und Schriftsteller).

 

Die von Boethius entwickelte

klassische Formel zum Personenbegriff, wonach die Person als individuelle Substanz einer rationalen Natur definiert ist, wird heute noch in der Forschung berücksichtigt. So bezog sich der große, katholische, im Dezember 2018 verstorbene, Philosoph Robert Spaemann auf eben Boethius` Formel, die als die umfassendste begriffliche Grundlage des gesamten modernen Rechtsdenken gilt. Quelle: Die Tagespost vom 10. Okotber 2019: Freiheit durch Vernunft. Was unterscheidet "etwas" und "jemand"? Spaemanns Philosophie der Person gibt Antworten.

 

Cassiodor wiederum brachte

seine riesige Bibliothek, die das gesamte Schrifttum der griechisch-römischen Dichtung, Philosophie und Geschichtsschreibung umfasste, in das Kloster Vivarium in Süditalien ein, seiner eigenen Gründung. Quelle: Philosophen und Theologen im Mittelalter - Gestalten und Probleme - (topos taschenbücher, 2015) von Prof. Josef Pieper, berühmter Philosoph und Theologe. Wer mehr lesen will, zum Beispiel über Cassiodors Lehrplan und Studienordnung, den Institutiones, sollte im Internet nachforschen. Er schrieb über die Goten (Historia Gothorum), er schrieb eine Weltchronik, über Administratives, auch eine Auslegung der Psalmen und in seinem 93. Lebensjahr die De orthographia, eine Zusammenstellung der lateinischen Orthografie; sie enthielt Auszüge aus verloren gegangenen antiken Werken. Auch gilt eine seiner Schriften als wichtige Quelle zur mittelalterlichen Musiktheorie.

 

Cassiodorus verfaßte darüber hinaus die weltweit wohl erste Erklärung eines Menschenrechtes auf Religionsfreiheit. König Theodahat von Italien machte sich 535 diese sogar zu eigen, begünstigt dadurch, dass Cassiodorus weiland als "Praefectus praetorio" fungierte, als höchster ziviler Verwaltungsbeamter des Römischen Reiches. Quelle letzter Absatz: P. Wolfang Buchmüller OCist, Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschulke Benediktt XVI. Heiligenkreuz; Die Tagespost vom 25.02.2021.

 

ICH NENNE DAS FORTSCHRITTLICH,

hell leuchtend, keinesfalls dunkel, keinesfalls finster.

Wer Vorgenanntes überprüfen möchte, viele Leser dürften die Franken mit allem in Verbindung bringen, nur nicht mit antiken Texten, zumeist wird das theoretische Wissen den arabischen Moslems attestiert, der besorge sich u.a. den Artikel von Berthold Seewald aus der "Welt" vom 15. April 2014 oder lese gleich das von ihm rezensierte Buch „Die Franken“ des Frankfurter Historikers Bernhard Jussen, Verlag C.H. Beck. Im selben Verlag erschien 2014 das Buch von Prof. Hans-Jörg Gilomen "Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters." 

 

JA, ABER DIE KREUZZÜGE - HEINRICH BÖLL

In diesen Kontext fällt auch das kleine Büchlein von Tommy Ballestrem mit dem Vorwort von Matthias Matussek: Ja, aber die Kreuzzüge. Fe-Medienverlag, Kissleg, 2. Auflage 2015. Es gibt einen kurzen Abriss über das christliche Abendland und räumt mit dem tradierten Vorwurf auf, das Christentum sei Schuld an allem. Das Gegenteil ist richtig. Unsere Fundamente, auf denen unsere Kultur, unsere Auffassung vom Menschen, unser Wissen, unsere Musik, unsere Künste, unsere gesamt Herkunft gründen.

Heinrich Böll (1917-1985): "Ohne das Christentum, ohne das Gebot der Nächstenliebe - >Es wäre eine Welt, in der ich nicht leben möchte< ", so der katholisch getaufte und katholisch beerdigte Literatur-Nobelpreisträger.

 

SACHSENKRIEGE - KARL DER GROSSE

Zum Schluss einige Worte zu Kaiser Karls angeblichen Gräueltaten betreffend die Sachsenkriege (772-804). Nach wie vor hält sich die unsinnige Behauptung, Karl der Große hätte auf einen Schlag 4.500 adlige Sachsen umbringen lassen. Diese sog. Nachricht fand sich in einer Chronik, die 100 Jahre nach Karl entstanden ist und die aus einer winzigen Notiz besteht. Historiker sagen heute, Karl habe die Sachsen nicht enthauptet (decollati), sondern umgesiedelt (delocati). Also: nur eine Buchstabenverdrehung machte ihn zum Sachsenschlächter. Auch die Zahl 4.500 wird mittlerweile bezweifelt. So viele Rädelsführer und Verräter habe es gar nicht geben können.

Fotos

1. Reihe: Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus Senator.

              CassiodorHandschrift Institutiones divinarum et saecularium

              litterarum, 8. Jahrhundert, Staatsbibliothek Bamberg. 

2. Reihe: Boethius. Der Anfang von Aristoteles "De interpretatione"

              in der lateinischen Übersetzung des Boethius.  Handschrift Rom,

              Bibliotheca Apostolica Vaticana; Ende des 13. Jahrhunderts.

               Boethius. Handschrift De hypothetics syllogismis. 2. Hälfte                des 10. Jahrhunderts.  Bibliotheque Nationale Paris.                                                   

CASSIODOR UND BOETHIUS

HINTERLIESSEN TEXTE VON ARISTOTELES

Die Römer Cassiodor und Boethius des 5./6. Jahrhunderts vermachten resp. hinterließen den Goten/Germanen nicht nur antike Handschriften aus dem lateinischen Raum, sondern auch und gerade über den griechischen Philosophen Aristoteles. Sehr viel früher als die arabischen Moslems des 7./8. Jahrhunderts, die sich übrigens bei der Übertragung der entsprechenden Schriften aus dem Griechischen ins Arabische prinzipiell der Hilfe der dhimmis, der (unterdrückten) Schutzbefohlenen, bedienten, mehrheitlich Christen. Dieser Aspekt wird gerne verschwiegen.            

Einhard (770-840). Denkmal in Eschweiler zu Ehren des Gelehrten. 

 

Inschrift:

+ 770 EINHARD 840 +

GELEHRTER FREUND KARLS DES GROSSEN

MITGESTALTER DER ERSTEN KUNSTEPOCHE

DES ABENDLANDES

AUS CHRISTLICHEM GLAUBEN

ERSTE URKUNDLICHE ERWÄHNUNG VON

ESCHWEILER DURCH IHN ANNO 828

ALS KAROLINGISCHES KÖNIGSGUT

FUNDUS REGIUS ASCVILARE 

Egbert von Trier. Codex Egberti. Werk ottonischer Buchmalerei. Das Evangelistar wurde für Erzbischof Egbert (950 bis 8.12.993) von Trier im Kloster Reichenau erstellt. Es ist der älteste Bildzyklus des Neuen Testaments mit Darstellungen aus dem Leben Jesu Christi. 60 Szenen, die im Laufe des Kirchenjahres in der Heiligen Messe aller Zeiten verlesen werden. Wahrscheinlich hat Bischof Egbert die Handschrift zu seinem persönlichen Gebrauch und bei der Meßfeier im Trierer Dom eingesetzt - zur Ehre des dreieinen Gottes.

Egbert gilt als Förderer von Kunsten und Wissenschaft.

 

Fotos unten

Lks. Geburt Jesu Christi. Verkündigung an die Hirten.

Re. Jesus offenbart sich den vom wundersamen Fischzug zurückkehrenden Jüngern.

Unübertroffene Dombaumeister

Kölner Dom. Thomas Wolf, www.foto-tw.de.

 

EINMALIGE BAUKUNST

"Strahlend ist das edle Werk, aber dies Werk, das edel erstrahlt, Erleuchte die Köpfe, damit sie durch das wirklich (physische) Licht Aufsteigen zu dem Wahren Licht (Gottes), zu dem Christus, der die Wahre Tür ist. Wie der (Bau) innen wirken soll, zeigt die goldene Pforte: Der träge Geist hebt sich durch das Stoffliche empor zum Wahren, der zuvor ins (Irdische) verstrickte (Geist) wird wieder aufgerichtet, wenn er dieses Licht gesehen hat." Abt Sugers Torinschrift von Saint-Denis. Quelle: Archichektur vor 1900, Rolf H. Johannsen, Gerstenberg Verlag.

 

Die Baukunst stand in höchster Blüte, unübertroffen bis heute. Monumentale Bauprogramme wie die Kaiserpfalz in Aachen, wie die Klosterkirche in Fulda, wie die westgotischen und mozarabischen Kirchen in Spanien, wie die Abteikathedralen in England, et ecetera. Heute rätseln die Fachleute, wie es den Bauleuten im 11./12. Jahrhundert möglich war, gotische Kathedralen / Dome / Münster solchen Ausmaßes -  wie Saint-Denis nördlich Paris (Grablege der französischen Könige), Notre-Dame von Reims (Krönungsort der französischen Könige), Notre-Dame in Chartres, Notre-Dame in Amiens, Notre-Dame in Paris, den Kölner Dom (erbaut nach dem Vorbild von Reims und Amiens), die Münster von Straßburg und Freiburg, die spanischen  Kathedralen am Jakobsweg in Burgos, Leon und Santiago de Compostela - überhaupt in diese Höhe treiben, bauen zu können. Und sie stehen noch immer, die tragenden, gotischen Glasfensterkonstruktionen. Höher als die Pyramiden in Ägypten, so groß wie die Freiheitsstatue und so schwer wie das Empire State Building in New York.

 

Nordamerikanische Fachleute vermuten dahinter, so neueste TV-Sendungen (März 2015), einen Code aus der Bibel, Heilige Zahlen auf Basis des Salomonischen Tempels der Israeliten. Bei Gottes ewiger Baustelle in Barcelona, Antonio Gaudis Sagrada Familia (Grundsteinlegung in 1882), wird ähnliches vermutet.

Nein, es ist kein ominöser Bibelcode. Alles ist nachzulesen bei dem Propheten Ezechiel ab Ez 40: Die "Tora" des Ezechiel - Der zukünftige Tempel.

 

Warum nur die imposanten Kathedralen erwähnen? Kunibert Bering spricht auf Seite 65 f. in der von Reclam (3. Auflage 2002) herausgegeben Reihe Kunst-Epochen - Kunst des frühen Mittelalters - bezogen auf die Architektur Asturiens - von einem ausgesprochen komplizierten Raumgefüge mit einer vielfältigen Verwendung des Tonnengewölbes. Auftraggeber dieser Kirchen waren zumeist die Herrscher, anfangs Ramiro I. und sein Nachfolger Ordono I., zum Beispiel des Kirchenneubaus - östlich von Leon an der Pilgerstraße nach Santiago gelegen - des Klosters Miguel de Escalda. Der Baumeister Abt Oliva Cabreta holte sich unter anderem Anregungen vom italienischen Kloster Monte Cassino; andere nahmen sich Alt-St. Peter in Rom als Vorbild.

 

Festzuhalten ist, dass die Abmessungen, die Grundrisse in Form eines Kreuzes, aller Kathedralen einander gleichen. Immer das himmlische Jerusalem vor Augen. In den hohen Fenstern erscheint die siegreiche Kirche mit ihren Heiligen und Zeugen der Wahrheit. Jedes Glasfenster verwandelt sich in eine Quelle mit tausend Farben und voll von einer transzendentalen Nachricht: Wird das Licht zum Wort oder das Wort zum Licht?

 

Fazit: Unübertroffene, grandiose Baumeisterkunst, grazile Riesen, ohne Hightech. Die Bauhütten waren europaweit vernetzt. Hier wurden sowohl die zukünftigen Steinmetze und Baumeister ausgebildet wie die sogenannten Hüttengeheimnisse tradiert: Baupraktiken, Regeln der Geometrie und Proportion, Erfahrungswerte. Die Reimser Bauhütte soll weiland über die rationalste Betriebsorganisation verfügt haben. Heute würde man von Baulogistik und Ingenieurskunst sprechen, Computeranimationen inklusive.

WISSENSTRANSFER. Islamische Kultur und Wissenschaft im Mittelalter.

Eine ubiquitäre Legenbildung.

Für den veröffentlichten Mainstream ist die Sache klar: das rückständige mittelalterliche Europa habe sich nur durch die islamische Wissenschaft weiter entwickeln können. Derzeitige Lehrstuhlinhaber propagieren eine erwünschte Wahrheit, nicht die wirkliche historische Wahrheit. Zumeist wird als Musterbeispiel das maurische Spanien zitiert. Nach wie vor bringen TV-Dokumentationen diese Mär unters Volk. Gerne wird ergänzend die maurische Toleranz angeführt, die ein schönes Zusammenleben von Moslems, Arabern, Berbern, Mozarabern, Juden und Christen ermöglicht habe.

Was wird unisono, ubiquitär (überall verbreitet) behauptet?

Das Abendland hätte viele seiner antiken Schriften verloren, die Moslems hingegen hätten selbige (z. B. Aristoteles) konserviert, kommentiert und den Europäern gebracht. Diese Annahme ist falsch. Marco Gallina bringt diesen Gedankengang sehr gut zur Entfaltung in seinem Essay „Orient begegnet Okzident“ vom 5. April 2018 in die Die Tagespost.

 

PROTESTANTISCHE SCHRIFTSTELLER

BEEINFLUSSEN HISTORIKER

Aber wie konnte es überhaupt zu dieser Legenbildung kommen? Kurz gesagt, indem man das katholische Spanien herabgesetzt und den Islam mit seiner maurischen Kultur im Gegenzug überbewertet hat. Nach Meinung des Pulitzer-Preisträgers James A. Michener habe Washington Iriving (1783-1859), amerikanischer Schriftsteller, aber auch Jurist und späterer Gesandter vom Balkan, mit seinem in 1829 verfassten Werk Die Alhambra den dafür nötigen Samen ausgelegt. Er begeisterte nicht nur sein englisch-sprachiges Publikum, er beeinflußte in erheblichem Maße ihr Denken und das vieler Historiker, in dem er sehr einseitig die Partei des Islam ergriff, sodass vielerorts die Vertreibung der Mauren bedauert wurde.

Ebenfalls in 1829 brachte Alexander Slidell Mackenzie (1803-1848) sein dreibändiges Werk A Year in Spain heraus. Er attestierte als 26jähriger dem spanischen Königspaar Isabella die Katholische und Ferdinand Betrug, Grausamkeit und Unterdrückung.

 

BERTRAND UND PETRIE WIDERSPRECHEN

Erst das Geschichtswerk der Historiker Louis Bertrand (1866-1941) und Charles Petrie (1895-1977) The History of Spain rückte die Tatsachen zurecht. Wiederholt warnte vor allem Bertrand vor dem muslimfreundlichen Schrifttum, das sich seiner Meinung nach dem Grunde nach gegen den katholischen Glauben richte - wie heute. Er thematisierte u.a. auch die Grausamkeit, die die Spanier den Moslemkriegern abgeschaut hätten. So kommt er zum Fazit: "Wägt man das Für und Wider ab, so kann man die Moslemherrschaft mit Fug und Recht als großes Unglück für das Land bezeichnen." Deutlicher geht`s nicht.

Die Frage, warum die Werke dieser nicht mainstreamkonformen Schriftsteller auch und gerade heute kein Gehör finden, beantwortet sich selbst.

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EINSCHUB

Natürlich wird auch gerne vergessen zu erwähnen, daß die lateinisch verfassten Schriften der römischen Antike von europäischen Klöstern gesammelt, kommentiert und der Nachwelt übergeben worden sind.

Webseite: Hell leuchtendes Mittelalter. Glaube und Philosophie > Innovative Epoche der Menschheit.

 

Zur Berichterstattung gehört auch die von

den Moslems betriebene Sklaverei

Knapp  10 Jahrhunderte besaßen moslemische Sklavenhändler das Monopol in Afrika. 17 Millionen Schwarze wurden von den moslemischen Arabern versklavt und/oder verkauft. Quelle: Focusportal vom 4.7.2020. Saudi-Arabien hat die Sklaverei erst in den 1960-ziger Jahren untersagt.

 

6. JAHRHUNDERT

ÜBERSETZUNG ARISTOTELES-SCHRIFTEN INS LATEINISCHE

Neben Cassiodor (485-585), spätantiker römischer Staatsmann, Gelehrter und Schriftsteller, hinterließ auch Boethius (477-524), spätantiker römischer Gelehrter, Politiker, Philosoph und Theologe, den Goten/Germanen antike Handschriften aus dem lateinischen Raum, aber eben auch Übersetzungen vom Griechischen ins Lateinische, zum Beispiel: Den Anfang von Aristoteles „De interpretatione“.

Boethius wurde überdies zum wichtigsten Vermittler der griechischen Logik, Mathematik und Musiktheorie an die Lateinisch-sprachige Welt des Mittelalters bis ins 12. Jahrhundert. Also alles sehr viel früher, als von den arabischen Moslems überhaupt noch keine Rede war.

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Zurück zu Marco Gallinas Essay "Orient begegnet Okzident".

Er zitiert mehrere Gegenmeinungen.

Remi Brague, französischer Religionsphilosoph (8.9.1947; arabische und mittelalterliche Philosophie, Träger des Joseph-Ratzinger-Preises 2012) dazu:

  • Die Übersetzungstätigkeit vom Griechischen ins Arabische ginge nicht von Moslem aus, sondern von Christen und Juden.
  • Weder der berühmte persische Arzt, Physiker und Philosoph Avicienna(980 – 1037, eigentlicher Name: Abū ʿAlī al-Ḥusain bin ʿAbd Allāh ibn Sīnā) noch der ebenso berühmte Philosoph Averroes (1125-1198; u.a. Hofarzt der Almohaden von Marokko) sprachen griechisch.

 

Gerne werde auch vergessen zu erwähnen, daß die umfangreiche und bedeutende kaiserliche Bibliothek von Konstantinopel bis zum 4. Kreuzzug (1204) Bestand hatte.

 

Sylvain Gouguenheim, franz. Professor für Mediävistik in Lyon (6.8.1960), stieß schon 2008 in die gleiche Kerbe, in dem er ausführte,

  • das arabisch-islamische Denken sei gar nicht geeignet gewesen, das abendländische Denken zu befördern.
  • Bereits im 12. Jh. habe ein gewisser Jakob von Venedig (+ 1147; venezianischer Kirchenrechtler) „Aristoteles“ übersetzt.
  • So sei dessen Übersetzung dem bedeutenden englischen Theologen Johannes von Salisbury (1120-1180; studierte bei Peter Abaelard in Paris, war Sekretär von Thomas Becket) bekannt gewesen, ebenso zu gleicher Zeit dem Jurist Burgundio von Pisa, der als Botschafter seiner Heimatstadt in Konstantinopel beispielsweise die griechisch verfassten Werke des großen Johannes Chrysostomos (349-407; einer der vier Kirchenlehrer des Ostens) und die des Arztes Claudius Galenus übersetzte (129-199 n. Chr. in Rom; nach Hippokrates 460-370 v. Chr. der bedeutendste Arzt der Antike).
  • Das griechische Erbe ins Abendland sei folgerichtig hauptsächlich über den byzantinisch-orthodoxen Weg erfolgt – nicht über den arabisch-moslemischen.

 

Vor allem in Deutschland wurde dem Autor daraufhin unterstellt, das Manifest eines „kulturellen Rassismus“ geschrieben zu haben. Die Süddeutsche nannte sein Buch „Aristoteles auf dem Mont Saint-Michel“ das Skandalbuch eines Mittelalter-Sarrazin. Das sei Islamophobie. Nicht viel anders hatte selbige Zeitung in 2018 übrigens Manfred Lütz mit seinem neuesten Buch „Der Skandal der Skandale – Die geheime Geschichte des Christentums“ beschimpft.

 

Der Mediävist Jacques Heers (6.7.1924 – 10.01.2013; lehrte in Paris) stellte überdies vor Jahren fest, daß der moslemische-arabische Teil des Wissenstransfers bei weitem überschätzt würde:

  • Die Logik als eine der Sieben Freien Künste käme aus der Tradition der europäischen Domschulen.
  • Jahre bevor der moslemische Philosoph Averroes einen prägenden Einfluss auf das Abendland hätte ausüben können, hätten sich bereits im 11. und 12. Jahrhundert aus den (katholischen) Domschulen die mittelalterlichen Universitäten entwickelt.

 

Fazit. Es waren stets die Christen, die gezielt nach antiken Schriften suchten. Das christliche, mittelalterliche Europa hat sich selbst erleuchtet, gestaltete selbst seine Zukunft - im Zeitalter der aufstrebenden Handelsstädte und des aufblühenden Universitätswesens.

Quelle: Die Tagespost vom 5.4.2018. Marco Gallina. Orient begegnet Okzident

 

OKTOBER 2021. "DAS MITTELALTER WAR DAS LABOR UNSERER MODERNE"

LE POINT, ein französisches Wochenmagazin, stützt prinzipiell die vorgenannten Thesen in einem Beitrag mit dem Mediävisten Florian Mazel und weiteren Historikern. Deren neuestes Werk titelt: "Nouvelle Histoire du Moyen Age."

Hierin werden viele Vorurteile der Epoche zwischen 500 und 1500 revidiert. Die Kirche als Mittelpunkt der Gesellschaft, die gregorianische Wende zwischen 1050 und 1200.

Es habe keinen Bruch mit der Antike gegeben, wie es die Renaissance postulierte. Tatsächlich sei die Antike für das Mittelalter vor allem christlich gewesen, mit der Zeitspanne Anfang des 4. Jhs. mit Kaiser Konstantin dem Großen bis zum heiligen Augustinus Anfang des 5. Jhs.; als wichtiger Referenzpunkt. Quelle: Internationale Zeitschriftenschau, Die Tagespost, 21. Oktober 2021,  (KS).