HELL-LEUCHTENDES MITTELALTER. Glaube und Philosophie. Identität Europas. Heilige. Aufklärung
Einstimmung
DUNKLES MITTELALTER. ABSURD.
Für die Mehrzahl der heutigen, sich modern begreifenden Menschen ist die Sachlage klar: Im Mittelalter waren sie alle ungebildet, rückständig, abergläubisch, sexual- und leibfeindlich, barbarisch. Das ist gleichermaßen dumm wie unwissend, weil auch wissenschaftlich nicht haltbar, weil Nachgeplappertes aus dem 14. Jahrhundert und dann noch verstärkend aus dem 18./19. Jahrhundert. Die Protagonisten dieser verfälschenden Beschreibung des Mittelalters fühl(t)en sich mehr dem (damaligen) romantischen Zeitgeist denn den historischen Quellen verpflichtet.
MITTELALTER - "STÖRENDE ZWISCHENZEIT"
14. Jahrhundert. Italienische Humanisten führen die Begrifflichkeit "medium aevum" ein - "mittleres Zeitalter". Es bedeutete nichts anderes als eine Art störende Zwischenzeit zwischen zwei als positiv wahrgenommenen Epochen: Antike und Renaissance. Renaissance als eine Neue Zeit, als Wiedergeburt der vormals prächtigen antiken Welt.
PROKLAMATION "FINSTERES MITTELALTER" - Absurd.
Anno 1700. "Aufklärung": Das "finstere Mittelalter" wird proklamiert, einhergehend mit der Vorstellung, im "christlichen Mittelalter" habe der Glaube die Vernunft zurückgedrängt. Erst durch die Vernunft, das rationale Denken, sei ein Fortschritt möglich gewesen. Dafür sei die Überwindung der göttlichen Ordnung notwendig gewesen, der festgefügten und unverrückbaren Denk- und gesellschaftlichen Strukturen im Mittelalter. Vergessen, wer die ersten Universitäten gegründet, gesponsert hat; vergessen das Aufblühen der (katholischen) Philosophie.
"Die Menschen glauben viel leichter eine Lüge, die sie schon hundertmal gehört haben, als eine Wahrheit, die ihnen völlig neu ist" - Alfred Polgar, österreichischer Schriftsteller 1873 bis 1955.
Vgl. auch Webseite
GESCHICHTE NEU BEWERTET. ZERRBILD MITTELALTER.
MITTELALTER - LABORATORIUM
DES WISSENS UND DER KÜNSTE. "Mit den Taliban >zurück ins Mittelalter< ein unzulässiger Vergleich" - Die "Tagespost" vom 25. August 2021.
Der französischer Mediävist Florian Besson widerspricht dem vorherrschenden Vorurteil, das "Mittelalter" sei eine Synonym für Gewalt und Obskurantismus - insbesondere für eine religiöse Aufklärungsfeindlichkeit. Das sei Denkern wie Voltaire zuzuschreiben.
- Mittelalterliche Kirche stattdessen ein Laboratorium des Wissens und der Künste.
- Der bewußte wirtschaftliche Ausschluß der Frauen wurde erst ab dem 15. Jahrhundert umgesetzt.
- Im 17. Jahrhundert waren Frauen weniger frei gewesen als im 12. Jahrhundert.
Wie an Texte früherer Epochen herangehen?
"Historiker sind rückwärts gekehrte Propheten", sagt der deutsche Historiker schlechthin: Prof. Heinrich August Winkler in seinem Interview mit der Welt am Sonntag vom 17. Juli 2022: Die größte Bewährungsprobe in der Geschichte der Bundesrepublik. Bis zu seiner Emeritierung Lehrstuhlinhaber an der Berliner Humboldt-Universität. Lesenswert seine Studien "Der lange Weg nach Westen."
Um Texte früherer Epochen begreifen,
richtig deuten zu können, muss der historisch-kritische Exeget willens sein, den eigenen historischen Kontext zu verlassen. Das impliziert auch eigene Denkschemata und Mentalität, um in die hypothetisch hergestellte Welt einzutreten, die sich zumindest teilweise oder ansatzweise der Welt, in der die Autoren und ihre Adressaten lebten, zu versetzen.
Mein Eindruck ist, dass viele "unserer" heutigen historisch-kritischen Exegeten sich gar nicht erst bemühen, sich in die damalige Autoren-Mentalität zu versetzen, und somit nicht zum kulturellen und sprachlichen Kontext jener Zeit vorstoßen (wollen). Vielmehr wählen sie den einfacheren Weg, den zu untersuchenden Text durch ihre gegenwärtigen Denkschemata durchzufiltern, will sagen, durch ihre heutige Brille sehen. - Quelle: Krzystof Darius Lisewski, Umgang mit der Bibel, Be&Be-Verlag Heiligenkreuz.
DAS MITTELALTER
CHRISTLICHES MITTELALTER AB WANN
Das christliche Mittelalter beginnt mit der Taufe des Frankenkönigs Chlodwig I. im Zeitraum 497 bis 507 n. Chr.; vgl. unten Remigus. Nach dem Tod Karls des Großen Anno Domini 814 verfiel das Frankenreich (Merowinger und Karolinger) in das spätere Frankreich und das spätere "Römische Reich Deutscher Nation." Mit der Kaiserkrönung Ottos I. (962) war die mittelalterliche Gesellschaft quasi festgezurrt. Sie bestand aus drei Ständen "orates", die beten, "bellatores", die kämpfen und "labarotores", die arbeiten. Darüber in gestaffelter Pyramide der Adel, an der Spitze der König und/oder der Kaiser. Einhergehend entwickelte sich der Feudalismus, der heute prinzipiell kritisch gesehen wird. War er das wirklich in letzter Konsequenz? Der Landesherr überließ seinen Kriegern und Gefolgsleuten ein "feodum" - Lehen -, sowie die darauf lebenden Bewohner, die ihrerseits an der "Scholle" gebunden blieben, aber dem Grunde nach ihr regelmäßiges Auskommen hatten; Missbräuche selbstverständlich nicht ausgeschlossen. Quelle: Jose Garcia. Tagespost 25.02.2021. Finsteres Mittelalter.
DER INVESTITURSTREIT
des 12. Jahrhunderts zwischen Papst Calixtinus II. und Kaiser Heinrich V. (Wormer Konkordat 1122) wird heute immer noch gerne ausschließlich als Machtkampf beider Protagonisten betrachtet, vor allem wird er der Kirche zu Last gelegt. Falsch. Der Papst wollte sich und der Kirche lediglich das Recht vorbehalten, selbst die Bischöfe in ihr Amt (Investitur) einzusetzen, unabhängig vom Votum des weltlichen Herrschers. Was stimmt, ist, dass dem Kaiser der Rang als Stellvertreter Christi abgesprochen wurde. Nur der Papst war fortan "Vicarius Christi" - Stellvertreter resp. exakter ausgedrückt: Statthalter Christi.
URBIS ET ORBI
Friedrich I. Barbarossa (1122-1190) ließ nicht locker und versuchte, 1157 das Reich (wieder) zu sakrilisieren (sacrum): Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Seine Idee einer göttlich gegebenen, der kirchlichen Ordnung gleichwertigen Kaisermacht, festgezurrt in seinem Brief an die Fürsten: Barbarossa halte "durch göttliche Vorsehung und Milde die Leitung der Stadt Rom und der Welt in Händen" scheiterte nach der Schlacht von Legnano 1176 der kaiserlichen Truppen gegen den Bund lombardischer Städte. Ein Jahr später unterwarf sich Barbarossa Papst Alexander III. Quelle: Jose Garcia, Die Tagepost 24.03.22
UND HEUTE? Die weltlichenHerrscher versuchen gleiches. Beispiel Reichskanzler Otto von Bismarck im 19. Jahrhundert. Er scheiterte allerdings letztlich am tiefen Glauben der deutschen papsttreuen Katholiken. Im derzeitigen (21. Jh.) China gibt es papsttreue Bischöfe und eine vom Staat kontrollierte katholische Kirche. Mittlerweile (Stand 2020/21) hat sich der Vatikan mit der kommunistischen Führung "arrangiert"! Im Deutschland des 21. Jahrhunderts mehren sich die Versuche aktivistischer Laien, die Bischofsernennungen nicht nur zu beeinflussen, sondern vielmehr dem Vatikan die ausschließliche Vollmacht zu entreißen. Also: alles relativiert sich.
VORMODERNE GEWALTENTEILUNG
MAGNA CHARTA
Im Anno Domini 1122 beigelegten Streit - Wormser Konkordat - ist letztlich ein Element der vormodernen Gewaltentrennung begründet. Die dem englischen König im Jahr 1215 abgetrotzte Magna Charta legte die Grundlagen für den modernen Rechtsstaat. Zu nennen ist auch das "Decretum Gratinani": eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Recht. Er erschien 1140 unter dem Namen "Concordia discordantium canonum": Übereinstimmung entgegenstehender Regeln: Kodifizierung verschiedener Rechtssammlungen sowie Konzils- und Synodalakten als Ergebnis neuer Rationalität. Die scholastische Methode setzte einen wissenschaftlichen Weg in Gang, der schließlich zum "Corpus iuris cononici" führte, das erst 1917 vom "Codex Iuris Canonici", dem Gesetzbuch des Kirchenrechts, abgelöst wurde.
In den von der Kirche gegründeten Universitäten wie beispielsweise in Bologna und Paris etablierte sich das, so kann man vereinfachend sagen, das neue rationale Denken, speziell im späten 12. und 13. Jahrhundert: Anfang unseres heutigen Vernunftdenkens. Einhergehend damit veränderte sich die Gesellschaft, Stichworte: Aufstieg der Städte, Wiederentdeckung der lateinischen Literatur (im Frühmittelalter von Boethius und Cassiodor archiviert), wie des Römischen Rechts, der griechischen Philosophie; Anfänge der Gotik, Minnegesang, höfische Kultur, Verbreitung des Bankwesens sowie der Waren- und Finanzmärkte.
Gratians (1140) strenger Argumentation folgte das Kurfürstenkollegium, das in der "Goldenen Bulle" 1356 n. Chr. seinen Niederschlag fand. Wichtige Vorarbeiten leisteten die großen Kirchengestalten Anselm von Canterbury (Ende 11. Jahrhunderts) und Petrus Abaelard, große Philosophen, die Glaube und Vernunft zusammenbrachten. Albertus Magnus (1200-1280) wie sein Schüler der brühmte Thomas von Aquin (1225-1274) schafften es, eine neue Verbindung von antiker Philosophie und christlicher Offenbarung herzustellen.
Zu deklamieren, dass der Fortschritt erst der Renaissance resp. der "Aufklärung" zu verdanken sei, ist absurd, verbietet sich von sich selbst.
MITTELALTER NICHT
MIT DEN AUGEN VON HEUTE BETRACHTEN Der katholische Glaube stellte im Mittelalter eine Grundordnung dar. Nicht irgendeine Konfession oder Religion, sondern eine Art grundsätzliches Bekenntnis, das die gesamte damalige Gesellschaft zusammenhielt. Heute bindet uns die freiheitlich-pluralistisch-demokratische Grundordnung (wenn sie denn überhaupt noch existiert, Stand Anno 2022: Einschränkung von Grundfreiheiten aufgrund der Corona-Epidemie). Wer das bei seinen Betrachtungen der Phänomene des Mittelalters berücksichtigt, wird diese Zeit objektiv beurteilen.
KEIN GRUND DER SELBSTGEFÄLLIGKEIT, der Überheblichkeit gegenüber dem Mittelalter: Stichwort 20 Jh.: Zwei Weltkriege, Stalinismus, Nazi-Deutschland (Holocaust) mit zig Mio. Toten. 21 Jh.: Einschränkung der Meinungsfreiheit.
Der französische Historiker und Journalist Jean Sevillia *)
gegenüber dem Figaro Magazin in 2019: Die Vergangenheit der Kirche solle nicht nach den heute gängigen politischen, moralischen oder geistigen Kriterien beurteilt werden. Die größte Sünde der Geschichte sei der Anachronismus. Um das sakrale Universum des Mittelalters zu verstehen, muß man sich von unseren Maßstäben als Bürger einer säkularen Demokratie lösen, in der Kirche und Staat getrennt sind, und in der darüber hinaus Unglauben oder religiösen Gleichtgültigkeit herrschen. *) In seinem Buch "L`Eglise en prces - la reponse des historiens" behandeln 15 Experten die Themen Kreuzzüge, Religionskriege, Inquisition, Kolonialisierung, Sex, Gewalt, Faschismus uns Pädophilieskandale.
Quelle: Die Tagespost, 05.09.19
Mein Diktum schon an dieser Stelle: Die mittelalterlichen Pilger lebten in einer spannenden Zeit, keinesfalls in einer dunklen.
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HERRLICHES MITTELALTER
Der galicische Erzähler und Dramatiker Gonzalo Torrente Ballester (1910-1999) beschreibt das Mittelalter in seinem köstlich zu lesenden Pilgerlesebuch „Santiago de Compostela“ 1 aus dem Jahr 1948 wie folgt:
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"Die nicht so schönen Details sollten wir lieber aussparen. Denn das Mittelalter war herrlich; seine Menschen hatten tief in ihren Herzen einen glühenden Glauben, und von ihm entflammt errichteten sie Burgen und Klöster."
So widerspricht folgerichtig auch Prof. Meinhard Miegel, deutscher Sozialwissenschaftler, dem nach wie vor gerne vom veröffentlichten Mainstream tradierten Vorurteil, das Mittelalter sei dunkel. In seinem Buch HYBRIS schreibt er:
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"Die Menschen, die damals in Europa lebten, dürften sich kaum einem finsteren Zeitalter zugehörig gefühlt haben. Im Gegenteil. Sie waren davon überzeugt, dass sich der Allerhöchste gerade ihnen in nie da gewesener Weise offenbart, sie durch seinen Sohn erlöst und ihnen den Heiligen Geist gesandt hat."
Und weiter schreibt Prof. Miegel über die heutigen Meinungsmacher und Kritiker des Mittelalters:
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"(das sei doch) die ignorante und arrogante Betrachtungsweise der Nachgeborenen."
Das Universalgenie der beginnenden Neuzeit Gottfried Wilhelm Leibnitz (1646 bis 1716; Philosoph, Mathematiker, Diplomat, Historiker, politischer Berater, auch mit theologischen Fragen konfrontiert ), war davon überzeugt,
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dass Gott mit unserer Welt die beste aller möglichen erschaffen hat.
Davon war der mittelalterliche Bürger gleichermaßen überzeugt. Dem gläubigen Lutheraner Leibnitz war übrigens weiterhin klar, dass es das Böse geben müsse, damit der Mensch es besiegen könne.
Verknüpfung von Glaube und Wissen. Soziale Errungenschaften, Menschenrechte
Der heilige Augustinus. Geboren am 13. November 354 in Tagaste (Afrika), gestorben am 28. August 430 in Hippo, heutiges Algerien. Lateinischer Kirchenvater, Kirchenlehrer, Philosoph, Bischof von Hippo (Afrika). Befreundet mit Bischof Ambrosius von Mailand.
Das Christentum war von Anfang an auf Glaube und Vernunft gebaut. Es hat sich ganz bewusst dadurch von den irrationalen Kulten des spätrömischen Reiches abgesetzt. Für Pater Recktenwald FSSP (Podcast vom 3. Juli 2022), Priester und Philosoph, beginnt Philosophie mit dem Staunen, wie letztlich Kinder staunen. Staunen weckt Neugier. Gute (christliche) Philosophen anerkennen Größeres denn ihrer eigenen Studien, wie es letztlich auch Platon und Aristoteles taten (Größeres annehmen); also Unbegreifbares anerkennen.
Anselm von Canterburys (1033 - 1109; Kirchenlehrer, Abt in Le Bec, Erzbischof von Canterbury) ontologischer Gottesbeweis unterstreicht dies mit den Worten: Gott ist das Wesen, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. Staunen über die Weisheit, über den Gottes Plan der Vorsehung. Über das Staunen werden Erwartungen übertroffen.
Die nachstehend genannten Heiligen des 2. bis 4. Jahrhundert sind noch der Antike zuzurechnen.
Kirchenvater Tertullian, 2. Jahrhundert: Die Vernunft sei die "Gabe Gottes", und Gottes Schöpfung könne mit Hilfe des Verstandes begriffen werden.
Frühe Christen sehen sich in der Nähe zur klassischen Philosophie. Von daher ihre Vorliebe für die Naturphilosophie.
Kirchenlehrer Hilarius von Poitiers, 4. Jahrhundert festigt den Glauben seiner Zeitgenossen durch sein Hauptwerk über die Trinität und seinem großen Kommentar zum Matthäusevangelium, dem ältesten in lateinischer Sprache.
Während der Völkerwanderung seit dem 5. Jahrhundert ist es die Kirche, die Kultur und Bildung aufrechterhält.
Kirchenväter Augustinus (4./5. Jh.) und Isidor von Sevilla (7. Jh.) setzen sich mit den Atomtheorien der Antike auseinander. Berühmt Isidors enzyklopädisches Werk "Ethymologiae".
Der "Reichsapfel" der Kaiser symbolisiert die Erdkugel.
Wilhelm von Ockham (1295-1349) weiß, das sich die Himmelskörper im luftleeren Raum bewegen; er korrigierte damit antike Ansichten.
Das Prinzip wissenschaftlicher Beweisführung (Verifizierung und Falsifizierung) findet sich schon bei Albertus Magnus (1220-1280).
Es sind Scholastiker des Mittelalters, die in Medizin und Forensik zuerst das Sezieren menschlicher Leichname unternehmen, was Griechen, Römer, Chinesen und Moslems für unzulässig gehalten hatten.
Anfang des 14. Jahrhunderts bringt Mondino de Luzzi (1270-1326) das Standard-Handbuch der Obduktion heraus.
Die Universität ist als Frucht des lateinischen Mittelalters zu begreifen.
Die Katholische Kirche war Förderer, Beschützer und Mäzen der Universitäten und der Wissenschaft insgesamt.
Einzelfälle, in denen "Kirche gegen Wissenschaft" zu stehen schien, sind im Gesamtkontext zu vernachlässigen.
Quelle: Martin Eberts, Die Tagespost vom 29. Oktober 2020.
REMIGIUS - 5./6. Jahrhundert APOSTEL DER FRANKEN
Remigius von Reims. Bischof 5./6. Jahrhundert. Wegbereiter des Christentums in Europa. Apostel der Franken. Taufe des Merowinger Königs Chlodwigs 497; Phantasiedarstellung aus dem 15. Jahrhundert. Freigegebenes Foto.
Remigus, geboren um 436, entstammte einer wohlhabenden Familie, wurde schon mit 22 Jahren zum Bischof berufen.
Berühmt wurde er durch die Taufe des Merowingerkönigs Chlodwigs am Weihnachtsfest 497, die dieser von ihm erbeten hatte nach der letztlich erfolgreich geschlagenen Schlacht von Zülpich im Jahre 496. Bei der Taufe soll Remigus gesprochen haben: „Beuge nun, stolzer Sicamber (alte Bezeichnung für die Franken), dein Haupt und unterwirf es dem sanften Joch Christi! Bete an, was du bisher verbrannt hast, und verbrenne, was du bisher angebetet hast!“
HRABANUS - 8./9. Jahrhundert EIN ABT LEHRT SEINE MÖNCHE ARITHMETIK
Der junge Rabanus Maurus (links),
unterstützt von seinem Lehrer Alkuin, dem Abt des Stifts St. Martin zu Tours (Mitte), überreicht dem Heiligen Martin, Erzbischof von Tours, sein Werk De laudibus sanctaes crucis.
Darstellung in einem Manuskript aus Fulda um 830/40 (Wien, ÖNB cod. 652, fol. 2v; freigegebenes Foto)
Theologisch ragte zu jener Zeit Hrabanus Maurus (780-856) heraus. Abt Alkuin, der wichtigste und berühmteste Berater Kaiser Karls des Großen, war sein Lehrer. Selbiger gab ihm auch den Namen Maurus (übersetzt: der Seher). Hrabanus Maurus war ein Mann universaler Bildung, ein großer Förderer des Bildungswesens, daher sein Ehrenname „Lehrer Germaniens“ (Praeceptor Germaniae). 822 zum Abt des Klosters in Fulda ernannt; im hohen Alter von 67 Jahren, 847 n. Chr., als Erzbischof auf den damals wichtigsten Bischofsstuhl nach Mainz berufen.
MÖNCHE STUDIEREN ARITHMETIK
In Fulda hatte er seine Mönche aufgefordert, Arithmetik zu studieren, um unter anderem die Zusammenhänge der mystischen Zahlen der Bibel begreifen zu können. Von ihm, dem gelehrten Theologen und Schriftsteller, sind wichtige Schriften erhalten, zum Beispiel der Figurengedichtzyklus "De laudibus sanctae crucis" (Vom Leib des Heiligen Kreuzes), dessen wichtigste Abschrift sich in der Vatikanischen Bibliothek befindet; vgl. auch ...
ERSTE UNIVERSITÄTEN - 11./12. Jahrhundert GENIESSEN HEUTE NOCH WELTRUF
Die ersten in Bologna (1088) und Paris (1160) gegründeten Universitäten haben bis heute ihren Ruf erhalten, im besonderen Maße die der von Oxford und Cambridge in 1167 resp. 1209. Das spanische Palencia folgte in 1212, Salamanca in 1218. Die erste deutschsprachige Universität wurde erst im Jahr 1348 eröffent und zwar in Prag im heutigen Tschechien, gefördert von Papst Clemens VI.
Hier wurden die Sieben Freien Künste, die septem artes liberales gelehrt, ein in der Antike entstandener Kanon von sieben Studienfächern. Im Mittelalter waren es die Fächer Theologie, Medizin, Recht, Grammatik, Rhetorik, Arithmetik und die Musik.
Nicht unerwähnt sollte an dieser Stelle gelassen werden, dass die Ursprünge der Universitäten zumeist in den christlichen Klosterschulen und Domschulen zu finden sind, in welchen seit dem 6. Jahrhundert die Ordensleute, Mönche und Nonnen, den Unterrichtsstoff vermittelten. Schon recht bald wurde den Universitäten die Autonomie zugestanden; vgl. dazu die päpstliche Bulle von 1233 (Papst Gregor IX). Das in den universitas magistrorum et scholarium vermittelte Wissen mit dem Abschluss des Magisters hatte nicht von ungefähr großen Einfluss auf die künftige Besetzung hächster Kirchenämter wie die der Äbte, Erzbischöfe und Kardinäle; seit dem 13. Jahrhundert mit über 50% Anteil. Die Lehren des Aristoteles verdrängten den Einfluss des Platonismus resp. Neuplatonimus.
Glaube und Wissen
Der heilige Bernhard von Clairvaux. Lorenzo di Bicci um 1435. 1373 - Florenz - 1452. Kunsthalle Bremen.
Kein anderer Zeitgenosse hat mehr Einfluss auf Kirche und Politik genommen, als dieser große Heilige des Mittelalters.
Bernhard lebte von 1090 bis zum 20. August 1153 in Clairvaux, Gründer des Klosters Clairvaux, das sich zur bedeutendsten Zistenzienserabtei entwickelte.
Ihm wird auch Einfluss auf die Gründung des Templerordens zugeschrieben, ebenso auf Papst Eugen III. (Bernhard von Pisa, von 1145 bis 1153 Papst), der sich auch nicht scheute, explizit um seinen Rat zu bitten, war er doch zuvor Schüler Bernhards von Clairvaux gewesen. In Verbindung wird Bernhard auch mit dem nachher gescheiterten Zweiten Kreuzzug gebracht; Papst Innozenz II. hatte ihn um die diesbezügliche Predigt gebeten. Zu den Kreuzzügen vgl. auch Lesenswertes. Geschichtliches neu bewertet.
Seine Diskussionen mit Peter Abälard (über die Rechtgläubigkeit), Johann von Salisbury und Petrus Venerabilis sind legendär. Mehr über diesen großen Kirchenlehrer unter ....
Die Suchenden nach dem Wissen beschreibt Bernhard, vgl. dazu Josef Piepers Taschenbuch "Philosophen und Theologen im Mittelalter", topos Taschenbücher, 1960/2015, wie folgt:
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Das sind viele, die suchen Wissen um des Wissens willen: Das ist Neugier.
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Da sind andere, die wünschen Kenntnis, um selber gekannt zu werden: Das ist Eitelkeit.
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Andere suchen Wissen, um es zu verkaufen: Das ist unehrenhaft.
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Doch gibt es auch welche, die Wissen suchen, um aufzuerbauen: Das ist Liebe (caritas).
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Und wiederum andere gibt es, die Wissen suchen, um auferbaut zu werden: Das ist Klugheit.
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VERKNÜPFUNG VON WISSEN UND GLAUBE
Protagonisten dieser Ausrichtung:
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Anselm von Canterbury (1033-1109), Mönch, Theologe, Erzbischof: "Ich glaube, damit ich verstehe", Begründer der Scholastik. Möglicherweise adaptierte I. Kant für seinen kategorischen Imperativ Anselms Diktum, für den das Handeln erst gut ist, wenn es ihm um die Rechtheit des Willens um der Rechtheit willen geht; hier manifestierte sich bereits die erste Idee einer autonomen Moral, wenngleich in Gott begründet.
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Abt Bernhard von Clairvoux (1090-1153), der große Prediger, Theologe, Marienverehrer, Mystiker und Berater von Papst Eugen III.
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Albertus Magnus (1193-1280), der Universalgelehrte von Paris und Köln (Aristoteles), Bischof von Regensburg, Kirchenlehrer, Heiliger.
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Thomas von Aquin (1225-1274), einer der einflussreichsten Philosophen und Theologen (schwerlesbare Abhandlungen), Kirchenlehrer, Heiliger, Schüler von Albertus Magnus, Mönch.
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Bonaventura (1221-1274), gleichermaßen einer der bedeutendsten Philosophen und Theologen der Scholastik, Heiliger.
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Franziskus von Assisi (1181-1226); über diesen großen Heiligen, nicht nur bedeutsam für die katholischen Christen, muss man nichts mehr sagen.
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Mystiker vom Range eines Meister Eckhart (1260-1328) oder einer
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Katharina von Siena, Patronin Europas (1347-1380).
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Nikolaus von Kues (1401-1464), Kardinal, Theologe, Philosoph, Neuplatoniker, Mathematiker und profunder Islamkenner. Cusanus (Kues) zählte zu den ersten Humanisten.
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Teresa von Avila, die im 16. Jahrhundert (1515-1582) in Spanien u.a. mit ihrem Buch Die innere Burg ein Meisterwerk der Weltliteratur entstehen ließ. Die große Mystikerin und Neuordnerin des Karmeliterordens offenbart im Bild der Burg einen praktischen Weg zur Einheit mit dem Göttlichen. Die ideale Reiselektüre für den nachdenklichen Jakobuspilger.
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Francisco Suarez (1548-1617), Theologe, Philosoph, Jurist: Er gilt als Vordenker und Vater des modernen Völkerrechts - entwickelt aus der Sicht des Theologen. Mehr über ihn schrieb Thomas Schmid in seinem lesenswerten Artikel in der "Welt" vom 28. September 2017:
www.welt.de/print/die_welt/debatte/article169112068/Ihr-Voelker-der-Welt.html
HELL-LEUCHTENDES HOCHMITTELALTER
Sie alle stehen für ein ausgesprochen hell leuchtendes Hochmittelalter, mitnichten verscheuchten sie die düsteren Schattengestalten des Mittelalters, wie der vormalige Herausgeber der "Welt", Thomas Schmid, meinte. Wie überhaupt festzustellen ist, dass überraschenderweise auch Chefredakteure bedeutender Zeitungen nach wie vor vom "dunklen" Mittelalter überzeugt sind; sich keiner Mühe unterziehen, zu recherchieren, sich auf den neuesten Wissenstand zu bringen. Hier ist Überzeugungsarbeit vonnöten. Ich bin dran. Es ist mühsam, aber durchaus erfolgreich.
ISLAM UND ARISTOTELES
Averroes (geboren 1126 in Cordoba, gestorben 1198 in Marrakesch), moslemischer Gelehrter und Hofarzt der berberischen Dynastie von Marokko, erklärte die aristotelische Physik für vollständig und unfehlbar, wie den Koran. "Wenn bestimmte Beobachtungen mit der Lehre des Aristoteles unvereinbar seien, dann könne das nur auf Irrtümern oder Täuschungen beruhen." Damit beraubte er sich der Möglichkeit weiterer Forschungen.
CHRISTENTUM UND PLATON
Die christlichen Scholastiker hingegen, die auch Platon und Aristoteles kannten, experimentierten, forschten und betrachteten die Werke der antiken Griechen nicht als unverrückbare Wahrheiten. Die Werke Platons und Aristoteles` sind übrigens von Christen und Juden übersetzt worden, nicht von den arabischen Moslems: im 7. Jahrhundert vom Griechischen ins Syrische und im 9. Jahrhundert von christlichen und jüdischen dhimmis (sog. Schutzbefohlene der Moslems) aus dem Syrischen ins Arabische.
"Sprich, damit ich Dich sehe!" - Sokrates.
MOSLEMISCHER HISTORIKER IBN KHALDUN
ÜBER DIE ARABER, 14./15. Jahrhundert
Der große, heute noch anerkannte und bewunderte Historiker, Diplomat und Philosoph, er lebte von 1332 bis 1402, gilt als Vorläufer der modernen Soziologie, hat schon früh ein hartes Urteil über die Araber gefällt. „Die Araber sind sich nur darin einig, sich nie in etwas einig zu sein.“
So beschreibt es jedenfalls der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels von 2011 Boualem Sansal (von Geburt Algerier) in seinem Buch „Allahs Narren“, Paris 2013, 6. Auflage 2016, Merlin-Verlag.
In seinen Betrachtungen geht er mit den damaligen Arabern hart ins Gericht. Ich zitiere aus dem Anhang 4 des Buches „Auszug aus der Muqaddima von Ibn Khaldun“ jeweils die jeweiligen Überschriften:
25. Abschnitt: Die Araber vermögen nur über flaches Land Obmacht zu erlangen.
26. Abschnitt: Länder, die von Arabern erobert wurden, ereilt alsbald der Ruin.
27. Abschnitt: Die Araber können nur dann zu königlicher Herrschaft gelangen, wenn sie von einer religiösen Aura, sei es durch Prophetentum, Heiligkeit oder eine (andere) großartige religiöse Einwirkung umfangen sind.
28. Abschnitt: Von allen Völkerschaften sind die Araber am wenigstens geeignet, ein Königtum zu führen.
Die mittelalterliche Erde eine Scheibe. Mitnichten. Eine Mär von heute.
Der heilige Isidor. Eingangsbereich der gleichnamigen Basilika in Leon.
Wer mehr über diesen letzten lateinischen Kirchenlehrer wissen will, der schlage bitte entweder im Reisebericht nach - Etappe 22 oder unter dem Hauptmenüpunkt KATHEDRALEN > Santa Maria de Regla. Leon > Basilika San Isidor. Leon.
MITTELALTER SPRICHT VOM GLOBUS
Der heilige Isidor von Sevilla (570-636 n. Chr.), Kirchenlehrer und Erzbischof, bezeichnet die Erde in einem Begleitschreiben zu seinem Werk "De natura rerum" direkt als Globus (Kugel).
Der heilige Thomas von Aquin (1225-1274) sagt in seiner Summa theologica (I, q 1 a 1 ad 2): Der Sternenkundige beweist durch Sonnen- und Mondfinsternis, dass die Erde rund ist."
Der im Mittelalter gebräuchliche Reichsapfel symbolisierte übrigens die Erde.
Der Verfasser des bekannten Marienhymnus "Salve Regina", Hermann der Lahme (1013-1054), setzte Globen in seinem Unterricht ein.
Und last but not least sei auf Papst Silvester II. (999-1003) verwiesen. Er verfasste Abhandlungen darüber, wie man einen Globus anfertigt und welchen Umfang die Erde hat.
Die sog. Scheibentheoretiker gab es natürlich auch, zählten aber nicht zum Hauptstrom der Wissenschaft.
4. JAHRHUNDERT
KATHOLISCHER BISCHOF ERKLÄRT DIE MONDFINSTERNIS
Schon der heilige Bischof Ambrosius (339-397) von Mailand, Lehrer von Augustinus von Hippo, hatte über naturwissenschaftliche Erkenntnisse fabuliert, die mit der Bibel nicht zu erklären seien: "(...) wieviel Luftraum der Erdschatten bedeckt, wenn die Sonne von uns scheidet und den Tag entführt, um die untere Hemisphäre zu beleuchten; ferner wie sich die Mondfinsternis erklärt, wenn der Mond in den Schatten dieser Welt gerät. (...)."
Sicherlich hat er dabei auch die ihn stützenden Schriften antiker Philosophen wie unter anderem Pythagoras (570-510 vor Chr.), Parmenides (ca. 520-ca. 460 vor Chr.), Platon (427-347 vor Chr.) und Aristoteles (384-322 vor Chr.) vor Augen gehabt.
21. JAHRHUNDERT - Verbreitung von Fake-News
Man will es nicht glauben. In österreichischen Schulbüchern gibt es heute noch "Aufgaben für schlaue Köpfe", die Schülern suggerieren sollen, dass die Menschen des Mittelalters davon überzeugt gewesen seien, dass die Erde eine Scheibe sei. Gezeigt wird dabei ein Bild aus dem 19. Jahrhundert, das nun wirklich nichts mehr mit dem ach so finsteren Mittelalter zu tun hatte. Wie anderer Stelle bereits von mir verdeutlicht, hatten sich vor allem Anti-klerikale Kirchenkritiker Ende des 19. Jhs. auf ihre Fahnen geschrieben, die katholische Kirche zu desavouieren: Wissenschaft und Religion seien nicht miteinander vereinbar. Nachgeplappter auch heute, wie man sieht. Quelle: Prof. Roland Bernhard, Wien/Krems. Die Tagespost, 25. November 2021. 2018 bis 2020 Gastforscher Uni Oxford.
MENSCHENRECHTE UND SOZIALES
Papst Paul III. Geboren als Alessandro Farnese 1468, gewählt als Pontifex maximus am 13. Oktoer 1534, gestorben am 10. November 1549.
Er gilt als erster Papst der katholischen Reform. Alle Übel wurden freimütig aufgelistet. Der Papst förderte mehrere neuentstandene Ordengemeinschaften wie auch den Jesuitenorden, berief letztlich das wegweisende und heute noch vielfach zitierte Konzil von Trient im Jahre 1545 ein. Der große Wissenschaftler Kopernikus widmete dem Papst sein epochemachendes Werk "Über die Umläufe der Himmelskörper", während Martin Luther ihn als Antichrist bezeichnete: "Wider das Papsttum zu Rom, vom Teufel gestiftet." Michelangelo malte auf seinen Auftrag hin in der Sixtina das Jüngste Gericht, 1547 wurde er zudem von Paul III. mit der Bauleitung der Peterskirche beauftragt. Eben dieser Papst unterstrich die Menschenrechte.
SPANISCHE SPÄTSCHOLASTIKER FORMULIEREN
MENSCHENRECHTE
Möglicherweise hat sich der Papst, wie später der englische Philosoph John Locke im 18.Jh., die die theologisch-juristisch-philosophische Gedankenwelt der spanischen Spätscholastiker des 16. Jhs. zu Eigen gemacht: Entwicklung des Grundgedankens, daß es bestimmte Naturrechte gibt, die für alle Menschen auf der Welt gelten. Die Spanier wiederum hatten auf die Theologie des Kirchenlehrers und Philosophen Thomas von Aquin des 13. Jhs. zurückgegriffen.
PAPST VERBIETET VERSKLAVUNG
Mit der päpstlichen Bulle „Sublimis Deus“ (benannt nach den lateinischen Anfangsworten: Der erhabene Gott), verbot Papst Paul III. am 2. Juni 1537 die Versklavung der indianischen Ureinwohner Amerikas und aller anderen Menschen. Was soll man anderes dazu sagen, als dass schon zu jenem Zeitpunkt universale Menschenrechte festgezurrt wurden - von der katholischen Kirche. Papst Paul III. verdammte die Erniedrigung der Ureinwohner und sprach ihnen das Recht auf Freiheit und Eigentum zu.
DIE MENSCHEN IM MITTELALTER WAREN SOZIAL,
waren für einander da, gerade in Zeiten der Not. Wir Modernisten sind doch mehrheitlich Hedonisten, Libertinisten/Libertiner, Relativisten, Positivisten und Egoisten.
Nachfolgende Beispiele mögen das verdeutlichen.
ALMOSEN FÜR KRANKE
Die Fürsorge von Ordensleuten. Nonnen und Mönche verschiedenster Klöster versorgten die Armen mit Nahrung und Kleidung. Sorgten so für ihr Überleben. Vgl. auch Etappe 16 des Reiseberichts von Hornillos del Camino nach Castrojeriz: Französische Mönche halfen in San Anton kranken Pilgern.
SOZIALVERSICHERUNG
Als frühester Beleg für eine Sozialversicherung im europäischen Raum, so schreibt es die Zeitschrift Informationen zur politischen Bildung in ihrer Ausgabe Nr. 327, wird vielfach eine bischöfliche Urkunde angesehen, die 1260 nach Christus der Bergbruderschaft des Bergwerks Rammelsberg im Harz eine Sozialfürsorge für kranke und für die Hinterbliebenen verstorbener Bergleute zusichert.
LEPRAKRANKE
Im Mittelalter wurden die Leprakranken entweder von den Angehörigen gepflegt oder in Leprosenhäuser versorgt. In England beispielsweise gab es nachweislich 320 solcher Häuser, gebaut und betrieben im jeweiligen Ort oder am Ortsrand an den Ausfallstraßen mit direkter Anbindung zu den Gesunden; vgl. auch Menüpunkt CAMINO FRANCES. Navarra.
Im 19. Jahrhundert hingegen, das Jahrhundert der Säkularisation, der Abwendung von Gott und Jesus Christus, der Vergottung der Naturwissenschaften, hat man die Leprakranken vertrieben, auf Inseln verbracht, wo sie dahinsiechten, wie Verbrecher und Mörder.
CARITAS IM HEILIGEN LAND
zur Zeit der mittelalterlichen Kreuzzüge. Der extra gegründete Ritterorden namens Lazarus nahm sich der Kranken an: Caritas pur.
Welche Epoche ist nun als finster zu benennen?
Zusammenfassung. Humanismus, Reformation und Aufklärung
Wurzeln und Merkmale
der christlichen Zivilisation des Abendlands
So sieht es der deutsche Historiker Heinrich August Winkler in seinem zwischen 2009 und 2015 herausgekommenen vierbändigen Werk „Geschichte des Westens.“ Zuvor hatte er im Jahre 2000 den Bestseller „Der lange Weg nach Westen“ publiziert. Heinrich August Winkler war am 10. Dezember 2015 der Leipziger Buchpreis zur europäischen Verständigung zugesprochen worden.
Zitat aus Artikel der Kreiszeitung Syke vom 11.12.2015:
„ (…) macht Winkler deutlich, dass er den Beitrag der christlichen Kirche zur Herausprägung des westlichen Denkens für weithin unterschätzt hält. Denn es war die mittelalterliche Kirche mit ihrem Zentrum Rom, in der sich erste Formen einer Gewaltenteilung zwischen weltlicher und geistlicher Macht, Kaiser und Papst sowie zwischen fürstlicher und ständischer Gewalt herausbildeten. 'Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist'.
Aufklärung - ohne christliche Kirche nicht denkbar
Nur mit ihr konnten sich nach Darstellung des Historikers die Emanzipationsprozesse der Renaissance und des Humanismus, der Reformation und der Aufklärung herausbilden. (…) „Im Westen dagegen (Hinweis: im Gegensatz zur Ostkirche) entwickelte sich aus der mittelalterlichen Gewaltenteilung die Trennung von gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt.“
Aufklärung (17./18. Jh.) suggeriert Klarheit,
Licht und Helligkeit und Vernunft; im Französischen wird gar vom "siecle des Lumieres" gesprochen - dem Jahrhundert der Lichter. Protagonisten waren u.a. David Hume, John Locke, Voltaire, Jean-Jacques Rousseau und Immanuel Kant: das Licht im Gegensatz zum "dunklen" Mittelalter. Nicht anders denn künstlich kreiert. Das Mittelalter war hell und erfinderisch. An anderer Stelle mehr.
Denker wie Francis Bacon und Isaac Newton wandten sich vom Naturverständnis der Antike und des Mittelalters ab; es galt fortan das mechanistische Weltbild. Nur die Naturgesetze würden ausnahmslost den Lauf der Dinge diktieren. Aristoteles und Thomas von Aquin hingegen sahen in der Natur keine strikten Gesetze; Ausnahmen seien möglich, also für den hl. Thomas das Eingreifen Gottes. Die Aufklärer konnten demgemäß mit der göttlichen Offenbarung, dem transzendenten Schöpfergott nichts anfangen.; schon gar nichts mit dem Gott, der in Jesus Christus menschliche Gestalt angenommen hat.
Französische Revolution 1789
Kulminationspunkt der Aufklärungsbewegung:
Vernichtung der Kirche
Auch wenn wir an sich der Aufklärung Toleranz und Redefreiheit verdanken (heute im Zeichen der Cancel Culture nicht wirklich mehr aktuell), so leidet letztlich die katholische Kirche immer noch unter ihren Folgen - hervorgerufen durch den Haß der Jakobiner der Französischen Revolution auf eben diese Kirche mit dem Anspruch, selbige zu vernichten.
Der große katholische Gegenaufklärer Joseph de Maistre sprach vom satanischen Wesenszug - caractere santanique. Auswirkungen sind, wie gesagt, noch heute spüren. Auch und gerade in Europa nimmt die Christenfeindlichkeit zu, ohne das die Regierungen und die EU-Kommission unter Frau von der Leyen einschreiten: in 2021 über 500 Haßverbrechen gegen Christen aufgrund ihres Glaubens.
So war es durchaus verständlich, dass Papst Pius X. reagierte und 1910 den sog. Antimodernisteneid erließ, den alle Kleriker zu schwören hatten. Er wurde erst 1967 von Papst Paul VI. aufgehoben - im Lichte des 2. Vatikanischen Konzils 1962-65. Er lautete: "Ich bekenne, dass Gott (...) mit dem natürlichen Licht der Vernunft (...) mit Sicherheit erkannt und bewiesen werden kann."
Fotos (gemeinfrei)
links: Hinrichtung Ludwigs des XVI. – Kupferstich aus dem Jahr 1793
rechts: Kirchen ab sofort Tempel der Vernunft. The French Revolution Calendar, created as a result of the French Revolution of 1789, officially became official from 22nd September 1793 until 31st December 1805.
Papst Benedikt XVI. zur Identität Europas
am 22. September 2011 vor dem Deutschen Bundestag
Papst Benedikt XVI., 2006. Freigegebenes Foto.
"Die Kultur Europas ist aus der Begegnung von Jerusalem, Athen und Rom - aus der Begegnung zwischen dem Gottesglauben Israels, der philosophischen Vernunft der Griechen und dem Rechtsdenken Roms entstanden. Diese dreifache Begegnung bildet die Identität Europas."
Die ganze Rede ist nachzulesen unter www.vatican.va;
vgl. auch Menüpunkt Benedikt XVI. und der Jakobsweg
Ich weiß nicht, ob Benedikt XVI. dabei auch, zumindest in Teilen, an die römischen Tugenden gedacht hat. Sie seien hier erinnert:
- Pietas: Respekt für die (vorgegebene) Ordnung in sozialer, religiöser, politischer Hinsicht.
- Severitas: Strenge gegen sich selbst.
- Gravitas: Verantwortungsgefühl und Ernst.
- Prudentia: Voraussicht, Weisheit, persönliche Diskretion.
Eine gute Abhandlung zur Identität Europas hat P. Daniel Eichhorn FSSP für das Informationsblatt der Priesterbruderschaft St. Petrus (Nr. 301/10) verfaßt: "Die 'Seele' Europas. Gottsuche und Kultur Europas: Wurzeln und Merkmale der christlichen Zivilisation des Abendlands."
1 Gonzalo Torrente Ballester, Santiago de Compostela - Ein Pilgerlesebuch. Die Originalausgabe unter dem Titel Compostela y su angel erschien 1948; die deutsche Ausgabe in 2007, Verlag Ludwig, Kiel.